Das Kind in uns

Folgende Gedanken kamen mir, als ich einmal nach einer meiner Yogastunde von einem Mann in den Vierzigern angesprochen wurde. Es fiel der Satz „so habe er sich nicht mehr gefühlt und bewegt seit er ein Kind war“. Das fand ich erstaunlich und brachte mich dazu, darüber nach zu denken. Klar, beim Yoga machen wir vielen Dinge, die wir leider meist im Alltag nicht mehr tun. Wir atmen bewusst, gehen achtsam mit uns um und führen Bewegungen aus, die wir im gewöhnlichen Arbeitsalltag eher nicht machen würden. Was hier aber neu für mich war, war der spielerische Aspekt. Das Gefühl, auch nur für einen kleinen Moment lang wieder zum Kind werden zu dürfen. Auf dem Rücken zu liegen, die Beine anzuziehen und einfach mal von links nach rechts zu schaukeln. So natürlich sich dies für uns Yoga Praktizierende anfühlt, so neu mag es für einen Erwachsenen sein, der das nach 30 Jahren das erste Mal wieder macht.

 

Klar, wenn wir uns unseren Vorgesetzen vorstellen, wie er wie ein junger Hund die Beine von sich streckt und genüsslich auf dem Boden räkelt, fänden wir dies selbst als Zuschauer ungewöhnlich. Das aber wiederum ist das Schöne am Yoga. Es ist egal, wer du bist, wie du aussiehst oder welchen Beruf du hast. Auf der Matte sind wir einfach alle nur Menschen. Menschen die atmen und etwas für Körper und Seele tun wollen – ganz ohne dabei zu denken (im Idealfall) wie man gerade dabei aussieht oder in welcher Position man sich gerade befindet. Ob der Po ein wenig zu groß ist und etwas zu nahe dran an der Person hinter dir. Es ist so wie es ist und wir sollten uns darum keine Gedanken machen. 

Besagter Mann hat dies geschafft, er hat sich gehen lassen in meiner Stunde und kam mit seinem inneren Kind, welches wohl allzu lange in Vergessenheit geraten war, in Berührung. Den obigen Satz sagte er mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Was gibt es für ein schöneres Geschenk?

 

Vielleicht können wir versuchen, etwas mehr „Kind“ zu sein und einfach präsent.

In unserer Jugend denken wir nicht großartig über das nach, was wir tun. Wir bewegen uns im jetzt, folgen unserem Instinkt und tun, was uns im jeweiligen Moment gerade Freude bringt. Wir tollen ausgelassen auf grünen Wiesen unter strahlenden blauen Himmel – ohne uns dabei Gedanken zu machen, was morgen für ein Wetter sein wird und ob wir uns gerade nicht rauswaschbare Flecken auf die Kleidung holen und wie wir dabei aussehen. Wir lachen und spielen und das alles ohne an ein später zu denken. An Konsequenzen und das, was danach kommen könnte.  

 

Nach einigen Rügen unserer Eltern oder Verwandten, lernen wir mit der Zeit uns Sorgen zu machen und auf Dinge zu achten, die uns als Kind nicht interessierten beziehungsweise nicht zu den Themen gehörten, um die unsere Achtsamkeit kreisten. Ab einem bestimmten Alter achten die meisten von uns darauf, bei potentieller Regengefahr einen Schirm dabei zu haben und beim Spielen im Freien, sei es nun mit eigenen Kindern oder dem Hund, die Kleidung nicht dreckig zu machen und unsere Gedanken drehen sich um etwaige Gefahren. Oder Dinge die uns als solche erscheinen, aber eigentlich unwichtig sind. 

Warum das Alles? Um uns Arbeit zu ersparen. Nicht nass zu werden – und damit eine mögliche Erkältung zu vermeiden - und um weniger Wäsche waschen zu müssen. Die Liste hier könnte endlos fortgesetzt werden. Leider ist dies wie vieles im Leben; durch die Sorge um was alles passieren könnte, geht uns der Spaß im Augenblick verloren. 

Wie oft würde den wirklich ein grüner Grasfleck auf der Hose bleiben? In der Regel ist heutzutage alles herauswaschbar. Und falls nicht könnte es zu einem Andenken werden, an diesen einen besonderen und schönen Tag in der Natur. 

 

Wie oft wirst du tatsächlich krank, nur weil du einmal nass geworden ist? Falls dem so wäre, stimmt einfach etwas mit deinem Immunsystem nicht. Ein toller Ansatzpunkt, um hier persönlich weiter zu arbeiten und mal genau hinzuschauen, wie es einem gerade im Leben so geht. 

Fakt ist, das wir uns als Erwachsene das Leben manchmal ganz schön schwermachen und in Maya, der Illusion in der wir leben, voll aufgehen. 

Es gibt uns halt, uns um Dinge sorgen zu können. Hätten wir zu viel Unabhängigkeit, wüssten viele von uns vielleicht gar nicht, was sie tun sollten. Leider haben einige Menschen verlernt, frei zu sein und zu fühlen, was ihnen tiefe Freude und Glück bereitet. Ich übe mich daran, nicht immer den ganzen Katzenschwanz an potentiellen Gefahren oder Hindernisse in einer Sache zu sehen so wie ich es selbst früher tat, sondern den Augenblick zu würdigen und zu genießen. 

 

Ich werde weiterhin ohne Regenschirm mein Haus verlassen und falls ich doch mal nass werde, ist das ebenso. Kein Drama, einfach nur ein paar Tröpfchen Wasser auf Haut und Haaren. Eine Dusche der Natur und eine Erinnerung an die Kindheit. So wie damals, als Kind als wir noch den warmen Sommerregen am Körper ganz bewusst spürten und eben gerade im Regen besonders gern raus sind, weil dann die Straßen so gut nach Sommer rochen und diesem kleinen Versprechen nach Abenteuer und Freude.

 

Ist das naiv? Bestimmt. Ist mir das bewusst: ja! Und was mache ich dagegen? Gar nichts, ich finde es toll. Ein klein wenig Naivität im Leben zu erhalten macht einfach mehr Spaß. Probiere es einfach mal aus!